Montag, Juni 03, 2013

frontier ruckus - eternity of dimming (2013)


die erstaunlichkeit von "eternity of dimming" findest du nicht im quantitativen besatz von zwanzig tracks und einer spielzeit von etwa eineinhalb stunden. du findest sie in der genauen beschreibung und bezifferung einer amerikanischen vorortjugend. du findest sie in den bebilderten abstrusitäten, die in den augen eines heranwachsenden immer mehr zu monstrositäten erwachen. in der rückschau aber begründung für den späten seelischen unfrieden sein werden, ein mosaik, das die sonnengebleichten vhs kassetten auf den schlafzimmerregalen erinnert, die aggressiven fußballtrainer, die fauchende sauerstoffflasche der über das kreuzworträtsel gebeugten großmutter und die massigen kopiergräte der für kurze zeit wohlhabenden nachbarn nicht übersieht sowie die fürchterlichen geburtstagsfeiern und den pornoladen hinterm taco bell festhält.

die erstaunlichkeit einer im zerfall befindlichen welt also, die nach und nach von grobkörnigkeit und schrittweiser dämmerung erfasst und schließlich zerstört wird. die erklärung ist für das ungleichgewicht, für die fehlende balance, die einem nachgeht wie schlechter körpergeruch. und zugleich präsentation von echtheit ist, von etwas, was wirklich gewesen ist. ein zeitgeschichtliches dokument, das überdauert. es ist kein entlehnen, sondern in worte gefasste erinnerung. kein beweihräuchern ausgewählter folkloristischer standards, kein überzeugt sein wollen von großstädtischer kulturambition. es ist nahbarkeit, echtheit.

über 5500 worte hat es dafür gebraucht. das kapitel ist damit zugleich auch beendet. eröffnet wurde es von frontier ruckus 2008 mit "the orion songbook" und fortgeführt mit dem 2010er album "deadmalls & nightfalls". dieser folk findet seine befriedigung, und nennen wir es beim namen, seine berechtigung erst über den narrativen ansatz. nicht dass die musik des vierers aus dem bundesstaat michigan nicht für sich stehen konnte, so erreicht sie doch erst ihre monumentalität durch die lyrischen klarheiten und offenbarungen des herrn milia in aller gebotenen unausgewogenheit und länge.

das windige banjopicking erhält seine ganz persönlichen weihen, wenn es sich am kehligen gesang des bandvorstands labt. das dribbelige drumming ergänzt in perfektion die berichte von den leidenschaften eines adoleszenten. keyboardzauber, streicherweisen, pianofetzen, ornamente geistreicher staffagebemühungen respektive -erfolge um ziselierte, nie überladene arrangements. harmoniegesänge sorgen für nötige potenz.

der sprung zur berührtheit ist ein kleiner. die ansprache, als hätte man eine von angesicht zu angesicht kommunikation, ist direkt und von einer klarheit, wie man sie auch unter freunden nur selten gewährt."eyelashes" und "black holes" sind zudem opener, die nicht zögerlich am büchsenrand ruckeln und zerren müssen, sondern die mit einem schwung an das gemüse im blech lassen. "i buried you so deep" ist mittendrin ein außerordentlicher höhepunkt, während das banjo pluckert, dimmen streicher das licht. im tempo bleibend beendet "i met rebecca" die erste der beiden scheiben.

die zweite langspielplatte beginnt mit dem elegisch verhaltenen "eternity of dimming", einer versonnen strahlenden harmonielehre. selten greinte milia trefflicher. "if the suns collapse" flirrt an banjo und orgel wie ein vergnüglicher frühsommerlicher brummer, 'deserve' reimt sich auf 'reserve', 'naps' auf 'collapse', "if i die it could be today and all i see all that i free will be okay". "nightmare of space" hat streicher zu bieten und kommt uns im gewand transformierter 20er jahre weisen. ein ungewöhnlicher track, der an flimmerstunden des nachts erinnert, als einem fremde bilder entgegen schauerten. "surgery" ist bestes beispiel, wie die musik den worten flieht, aneinander gereihte erinnerung. 

worte, die sich wiederholen, anschlüsse, die hergestellt werden müssen. bezüge, konkretisierungen. verallgemeinerung hier, detalliertes beschreiben dort. der masse eine eigenschaft verpasst, später an sich selbst wiederentdeckt. milia setzt sich nicht ab, in dem er einen nimmermüden kritsichen blick zurückwirft. er inszeniert nicht, nein, er wahrt den moment, in dem er  kurz den scheinwerfer auf eine szene wirft. "dealerships" forciert später noch einmal, knipst dieses folk- hochgefühl ein, wenn die instrumentale vielfalt unter dem gewicht der schnellen fahrt selbst die aufzählung, die reihung vergessen macht. denn die worte sind allgegenwärtig, sie machen die musiker untertan und verleihen dem album eine schwere, die es nicht immer stemmen kann. längen, die man aber auch in romanen in kauf zu nehmen gewillt ist, wenn die story und die erzählweise stimmt.
"eternity of dimming" erschien im februar auf loose music.

frontier ruckus - eyelashes by loose music

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