Mittwoch, Februar 26, 2014

neue töne (1353): marian mclaughlin


neulich sprachen wir während des kennenlernens über das wort "schmökern". nur wenige worte lösen so viel in mir aus wie dieses. es zündet wie gesuchte einsamkeit, ruft nach kamin und wolldecke, nach viel zeit, ruhe und entspannung, nach unendlich vielen möglichkeiten sich zu beheimaten in der welt der literatur.

mit "dérive" hat marian mclaughlin ein ganz wunderbares stück musik vorgelegt. am 15. januar veröffentlicht, belegt es die lücke zwischen heidi harris und josephine foster. der folkzwang ist schnell abgeworfen, obwohl die szenerie zunächst meist von der akustischen und etwas feenartigem gesang beherrscht wird. doch die verklausulierung des stoffs und die damit neu gewobenen strukturen werfen ein neues bild auf. wobei auch dies strittig ist. denn mclaughlin scheint sich voll und ganz dem treiben, vielmehr dem "umherschweifen" hinzugeben, so dass weniger von bildern als von bildhaften prozessen die rede sein muss. der französische situationist guy debord entwarf einst den begriff "dérive", der konsequenterweise auch diese veröffentlichung überschreibt.

jedes lied neu wird zu einer ganz eigenen form des umherschweifens (und assoziiert tonales schmökern). die weiten räume werden maßvoll durchschritten, wobei richtung und schrittgeschwindigkeit noch nicht festgelegt sind. geplantes wird ausgehebelt und die alternativen prompt und unbeirrt umgesetzt. in ihren texten sucht mclaughlin dabei nicht nach neuem, sondern hängt sich an die mythologie oder erzählt geschichten wie die des luftfahrtpioniers otto lilienthal. aus der schräglage entsteht eine perspektive des wandels, des neuen, der überraschung. gegenläufig die harmonie, springend die gedanken und bleiern der klangraum. 

marian mclaughlin hat eine klirrend kalte stimme, die sie, wenn sie will, gegen die sonne drehen kann. andererseits entsteht ein frösteln, das von den hellen gitarrentönen forciert wird. im hauch des atems spiegelt sich das gesicht der musikerin. einem cello, einer trompete, sachter perkussion gelingt gegengewichtiges. im miteinander wirkt die gemeinsame reise auf erzählerische weise echt. 
in der musik der aus washington stammenden künstlern findet sich die lust am schmökern wieder. das spurenlesen und -folgen, das sich treiben lassen. als hörer kann man unmittelbar daran teilhaben.

Keine Kommentare: